Rückblick auf das DLM-Symposium 2017

Ganz gleich ob Fernsehen oder Internet: Der Werbemarkt ist für privatwirtschaftliche TV- und Online-Angebote die wichtigste Erlösquelle. Neue Plattformen und Werbeformen aber stellen nicht nur klassische Gesetzmäßigkeiten der Branche in Frage, sondern konfrontieren auch die Regulierung mit Problemen: Wie lassen sich bei Content Marketing und Native Advertising im Internet die Grenzen zwischen werblichen und redaktionellen Inhalten schützen? Welche Rolle spielen die großen Mediaagenturen, die als Intermediäre zwischen Medienunternehmen und Werbekunden vermitteln? Mit diesen Fragen beschäftigten sich beim 12. DLM-Symposium am 23. März 2017 in Berlin etwa 270 Experten und Teilnehmer. Das Tagungsthema lautete: „Werbung ist tot! Es lebe die Werbung! Leitlinien moderner Regulierung für die Vermarktungsmodelle von morgen.“

Begrüßung durch DLM-Vorsitzenden Schneider: Werbung im Wandel – unmittelbar, interaktiv, effektiv

Werbung sei insbesondere für privatwirtschaftliche Rundfunkprogramme essenziell und existenziell wichtig, machte Siegfried Schneider bei seiner Begrüßung deutlich. „Sie refinanziert Medieninhalte und Programme. Auch deshalb fordern die Medienanstalten schon lange eine Reduzierung der Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, sagte der Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) und Direktor der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM). Werbung trage durch die wichtige Funktion der Refinanzierung zur Medienvielfalt im dualen Rundfunksystem bei. Allerdings habe sich die Werbung in den audiovisuellen Medien gewandelt, um Mediennutzer unmittelbarer, interaktiver und „damit wohl auch effektiver“ anzusprechen.

Der DLM-Vorsitzende verwies aber auch auf Probleme. So fürchteten privatwirtschaftliche Anbieter von TV-Programmen um die Signalintegrität ihrer Inhalte, „wenn neben ihnen selbst plötzlich auch Endgerätehersteller oder App-Anbieter Werbung auf demselben Bildschirm ausliefern“. Außerdem sähen sich TV-Programmanbieter bei dem, was sie in Sachen Werbung dürfen, gegenüber den weniger regulierten digitalen Diensten strukturell benachteiligt. Deshalb forderte Schneider Deregulierung. Dass die geltende AVMD-Richtlinie der EU noch zwischen linearen und non-linearen audiovisuellen Mediendiensten unterscheide, sei „nicht mehr zeitgemäß“, weil so für TV-Programme zeitliche Werbebeschränkungen gelten würden, für die neuen digitalen Massenmedien jedoch nicht. Allerdings gelte auch weiterhin: „Werbung muss im Rundfunk wie im Internet klar und eindeutig erkennbar sein und gekennzeichnet werden.“ Ohne eine solche Transparenz könnten sich beispielsweise Content Marketing oder Native Advertising schnell in unzulässige Schleichwerbung verwandeln. Für den Bereich personalisierbarer und adressierbarer Angebote sei der Umgang mit den Nutzerdaten entscheidend. Die Landesmedienanstalten plädierten in diesen Fällen und auch bei interaktiven Werbeformen für mehr Transparenz über Art und Weise der Datenerhebung und für einen verantwortungsvollen Umgang mit nutzerbezogenen Daten, berichtete Schneider.

Die neuen Trends der Werbewirtschaft: Hyper-Personalisierung und künstliche Intelligenz

Einen Überblick über neue Funktionen und Formen von Werbung in der digitalen Welt gab Christof Baron. Der geschäftsführende Gesellschafter der Agenturgruppe pilot betonte, es gehe im digitalen Zeitalter vor allem darum, „persönliche, hoch relevante Beziehungen“ zu Konsumenten aufzubauen, und zwar möglichst immer und überall. So entwickle sich Werbung zu einem „hochindividuellen Produkt“, das Nutzerwert bieten müsse. Voraussetzung dafür seien detaillierte Informationen über die Konsumenten. Die Folge: „Technologie, Daten und Algorithmen sind das Rückgrat der neuen Kommunikationswelt, aber – aus Wettbewerbssicht – mittlerweile auch Markteintrittsbarrieren, um an vorderster Front mitspielen zu können“, gab Baron zu bedenken. Über die erforderlichen Ressourcen würden vor allem die großen Online-Konzerne oder Unternehmen wie IBM oder SAP verfügen. Die global agierenden Agenturgruppen seien da „vergleichsweise klein“. US-Konzerne wie Facebook oder Google arbeiteten intensiv daran, ihre Ökosysteme kontinuierlich breiter aufzustellen, alle Facetten der Kommunikation in ihren Systemen abzubilden und gleichzeitig „über eine stärkere Bündelung und Kanalisierung von Informations- und Datenströmen ihre Monopolstellung zu festigen“. Die nächsten Herausforderungen lauteten Hyper-Personalisierung, künstliche Intelligenz und Virtual Reality, kündigte Baron an. Werbewirtschaft und Mediaagenturen bleibe nichts anderes übrig, als den neuen Trends zu folgen.

Die Zukunft der Werbung: Programmatic Advertising

Daniel Knapp, Senior Director Advertising Research beim Beratungsunternehmen IHS Markit, erläuterte, Programmatic Advertising bedeute die „automatisierte Aussteuerung einzelner Werbekontaktchancen“. Dabei hätten die individuelle Adressierbarkeit und Algorithmen ebenso eine zentrale Bedeutung wie Nutzerdaten, Live-Feedback und Möglichkeiten, Online-Werbeplätze in Echtzeit zu versteigern (Real Time Bidding). In den USA sei Programmatic Advertising noch stärker verbreitet als in Europa. Für die Zukunft rechne er damit, dass Werbung zunehmend mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz platziert werde.

Podiumsdiskussion: Schöne neue Werbewelt?

Content Marketing sei „keine Schande“, solange es als Werbung deutlich gekennzeichnet werde, also Programm und Werbung getrennt blieben, betonte Cornelia Holsten. Die Direktorin der Bremischen Landesmedienanstalt und stellvertretende DLM-Vorsitzende unterstrich, der Wandel im Werbemarkt habe viele Facetten, müsse aber durch Fairness und Unabhängigkeit der Redaktionen geprägt sein. Holsten erklärte, sie wünsche sich viele Innovationen. „Die junge Zielgruppe zappt alles, was nicht glaubwürdig wirkt, gnadenlos weg“, nannte Klaus-Peter Schulz als Argument dafür, dass auch der Werbebranche daran gelegen sei, den Grundsatz einer Trennung von Werbung und redaktionellen Inhalten beizubehalten. Der Geschäftsführer und Sprecher der Organisation der Mediaagenturen (OMG) forderte aber zugleich Deregulierung. Größere Spielräume seien wichtig, um neue Werbeformen zu entwickeln.

Conrad Albert, der im Vorstand der ProSiebenSat.1 Media SE den Bereich External Affairs & Industry Relations leitet, äußerte sich angesichts der Veränderungen im Werbemarkt optimistisch. Der Wandel biete auch Chancen wie etwa die Adressierbarkeit von Inhalten. Smart TV, Connected TV und HbbTV klassifizierte er deshalb als zentrale Themen der Zukunft. Wichtig sei, dass die Regulierung genügend Freiräume für neue Geschäftsmodelle schaffe und Chancengleichheit garantiere. Andererseits aber seien in Bezug auf das Erkennen neuer Werbeformen die Zuschauer „so kompetent wie nie zuvor“. Angesichts der Marktmacht der US-amerikanischen Online-Konzerne müsse sich Europa stärker behaupten. Um sich im globalen Wettbewerb zu behaupten, bestehe eigentlich eine „Konzentrationspflicht“. Auch Florian Ruckert, Vorsitzender der Geschäftsführung der Radio Marketing Service GmbH & Co. KG (RMS), beklagte, dass immer mehr Werbemarktanteile an Global Player fließen würden. Content Marketing und Native Advertising seien im Hörfunk praktisch nicht möglich.

Das Ringen um die EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste

Welche Änderungen sich für die Regulierung von Werbung durch die Novellierung der EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD) ergeben könnten, erörterte Prof. Dr. Mark D. Cole. Der Wissenschaftliche Direktor des Institutes für Europäisches Medienrecht (EMR) berichtete, die AVMD-Novelle werde vermutlich erst im kommenden Jahr beschlossen, mit einer Umsetzung in nationales Recht könne erst in ein paar Jahren gerechnet werden. Cole schilderte das Ringen um die neue AVMD-Richtlinie als Aufeinandertreffen divergierender Interessen. Das Ergebnis sei „bei weitem nicht absehbar und bei weitem nicht revolutionär“. Als Beispiel für das Hin und Her beim Ringen um die neue Regulierung nannte Cole die Frage der Werbezeitenbeschränkung in TV-Programmen. Parallel zum Parlament würden die genannten Themen auch in Arbeitsgruppen-Tagungen des Rates der Europäischen Union behandelt, berichtete Cole. Dort herrschten ebenfalls sehr kontroverse Ansichten.

Podiumsdiskussion: Reformvorschläge für AVMD-Richtlinie in der Kritik

Bei der anschließenden Diskussion über den AVMD-Reformprozess zeigte sich Dr. Marc Jan Eumann, nordrhein-westfälischer Staatssekretär für Europa und Medien, enttäuscht darüber, dass weiterhin zwischen linearen und non-linearen Diensten unterschieden werde. „Ich komme mir vor wie in einer Zeitmaschine: zurück zu 1997“, bemängelte Heiko Zysk, Vice President Governmental Relations & Head of European Affairs der ProSiebenSat.1 Media SE, dass der neue Regulierungsrahmen alles andere als zukunftstauglich wirke. Erforderlich sei eine „weitgehende Liberalisierung der quantitativen Werberegulierung“.

In der von Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, geleiteten Diskussion plädierte nur ein Teilnehmer für den Erhalt der noch bestehenden Regeln in puncto Fernsehwerbung: Prof. Dr. Christoph Fiedler wies darauf hin, mehr Werbung im Fernsehen schwäche die Finanzierung der Printmedien. Der für den Bereich Europa- und Medienpolitik zuständige Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger argumentierte, die Presse habe auch deshalb Schwierigkeiten, den Journalismus zu finanzieren, weil Werbeerlöse fehlten. Der nordrhein-westfälische Medien-Staatssekretär Eumann wehrte sich gegen Fiedlers Vorwürfe. Die Politik wisse um den Wert der Printmedien als „aktuell wichtigster Träger von Journalismus in Deutschland“. Dies sei etwa bei der jüngsten Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zum Ausdruck gekommen, die den Verlagen „weitreichende Kooperationsmöglichkeiten“ einräume.

Abschlusspodium: Kreativität und Daten – das richtige Maß an Regulierung

Der Chef der Staatskanzlei des Freistaates Sachsen, Staatsminister Dr. Fritz Jaeckel, bezeichnete die verschärften Bestimmungen der Europäischen Datenschutzgrundverordnung als falsch. Die Politik müsse aufpassen, nicht Kreativität zu behindern. Er wünsche sich deshalb eine Regulierung, die verstärkt auf Ko- und Selbstregulierung setze. Jaeckel forderte, in einer wettbewerbsorientierten Gesellschaft dürfe Politik nichts „überregulieren“. Etwaige Folgen einer solchen Entwicklung beschrieb Hans Demmel, Vorstandsvorsitzender des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) sowie n-tv-Geschäftsführer: „Wenn Addressable TV in Deutschland nicht geht, landet das Geld bei den Online-Konzernen in den USA.“ Zugleich versicherte Demmel, die Veranstalter von TV-Programmen hätten keinerlei Interesse an personenbezogenen Nutzerdaten: „Wir wollen nicht wissen, wer was vor dem Fernseher tut.“

Fotos: Andreas Franke - panabild.de

Über das DLM-Symposium:
Die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten greift mit dem DLM-Symposium aktuelle medienpolitische Herausforderungen auf und diskutiert mit Vertreterinnen und Vertretern aus Medien, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft über Positionen und Gestaltungsmöglichkeiten der Rundfunklandschaft. Das nächste DLM-Symposium findet am 19. April 2018 in Berlin statt.

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