Alle online!? Teilhabe in der digitalen Welt

GVK-Panel im Rahmen der Medientage München 

Wer mitreden und mitmachen will, kommt ohne digitale Kompetenz nicht mehr aus. Dennoch sind rund 20 Prozent der Deutschen nicht einmal gelegentlich online. Insbesondere ältere Menschen, Frauen, Geringverdiener und Bewohner ländlicher Regionen sind in dieser Gruppe. Hinzu kommt: Viele Onliner, darunter auch viele junge Leute, nutzen nur wenige Internet-Anwendungen und schöpfen damit lediglich einen kleinen Teil der Kommunikationschancen von Information über Vernetzung bis zu Kreativität und Partizipation aus.

Wie kann Teilhabe in der digitalen Gesellschaft gewährleistet werden? Welche Online-Kompetenzen sind notwendig, wo braucht es besondere Unterstützungsangebote? Was können Politik, Medienanbieter und Medienbildung tun, um eine digitale Spaltung zu verhindern?

Alltagskompetenz unter mediatisierten Bedingungen

Die Teilhabemöglichkeiten an gesellschaftlichen Diskursen werden nicht ausschließlich durch medienkompetentes Verhalten bestimmt, sondern sind im Gesamtkontext des Sozialstaates zu sehen. Ungleichheiten in der Nutzung partizipativer Möglichkeiten, die Staat, Verwaltung, Wirtschaft oder Bildung bieten, seien auch auf soziale Disparitäten zurückzuführen. Gleichwohl bleibe es vordringlichste Aufgabe, möglichst allen Menschen die Werkzeuge und Kompetenzen an die Hand zu geben, die eine selbstbestimmte Mediennutzung in der digitalen Welt gestatten. Auf diese Forderung verständigten sich Experten bei einer Panel-Diskussion, die bei den MEDIENTAGEN MÜNCHEN in Kooperation mit der Gremienvorsitzendenkonferenz der Medienanstalten (GVK) veranstaltet wurde.

Im Mittelpunkt der Diskussion standen die potenziellen und faktischen Teilhabechancen in der Me-diengesellschaft. Ausgangspunkt war unter anderem die Erkenntnis, dass aktuell zwanzig Prozent der deutschen Bevölkerung vollständig auf jeglichen Online-Zugang verzichten und das Internet nicht nutzen. Winfried Engel, Vorsitzender der GVK, sah darin eine problematische Entwicklung für eine funktionierende Demokratie.

„Wer nicht online ist, wird die Gesellschaft nicht mehr mitgestalten können“,

lautete sein Credo. Die Aufgabe bestehe nun darin, die digitale Selbstständigkeit der Menschen zu befördern. Das schließe ein, dass man sich bewusst aus der Online-Welt ausblenden könne, wenn man um die Folgen dieser Verweigerung wisse.

Prof. Dr. Uwe Hasebrink, Direktor des Hans-Bredow-Instituts für Medienforschung, erläuterte in einem Impuls-Vortrag, warum die Online-Nutzung relevant für eine funktionierende Demokratie sei. Einerseits formuliere bereits das Grundgesetz die Forderung nach gleichberechtigter Teilhabe. Andererseits bestehe das Interesse der verschiedensten gesellschaftlichen Akteure nach Verein-fachung von Prozessen und Abläufen im Alltag. Dennoch seien Unterschiede in der Online-Nutzung weiterhin deutlich sichtbar; seien allerdings eher Ausdruck einer ungleichen und individualisierten Gesellschaft. Online-Nutzung resultiere aus eine Mischung aus technisch verfügbarer Infrastruktur, gesellschaftlicher Notwendigkeit und individuellen Ressourcen. Aufgabe sei es nun, so forderte 
Hasebrink, strukturell bedingte Benachteiligungen zu beseitigen.

Die Teilnehmer der anschließenden Podiumsdiskussion, die von der Journalistin Vera Linß moderiert wurde, gingen zunächst der Frage nach, ob der „Alarmismus“ angesichts von zwanzig Prozent Online-Verweigerern gerechtfertigt sei. Hannes Schwaderer, Präsident der Netzwerkinitiative D21 und Leiter des Bereichs Energy and Industrial von Intel Deutschland, sah eher die Notwendigkeit, das Augenmerk auf jene achtzig Prozent der Bevölkerung zu lenken, die Online-Angebote nutzen.

„Wir wissen aus Untersuchungen, dass nur 15 Prozent dieser Menschen das Internet und andere Medien autonom, selbstbestimmt und kritisch nutzen. Hier setzen unsere medienpädagogischen Projekte an.“

Schwaderer berichtete, die Initiative D21 wolle Möglichkeiten aufzeigen, die Online-Medien bieten. Gleichzeitig verstehe er als seine Aufgabe, auf potenzielle Gefahren hinzuweisen und Menschen zu befähigen, eigenes Medienhandeln kritisch zu reflektieren. Um noch mehr Menschen mit dem Internet vertraut zu machen, müssten die Vorteile der Online-Nutzung noch stärker kommuniziert werden, lautete der Vorschlag von Mechthild Appelhoff, Leiterin der Abteilung Förderung bei der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM). Diese Kommunikation werde sich zwar aktuell primär an ältere Menschen wenden müssen, die Aufklärung über Chancen und Risiken von Mediennutzung allgemein sei aber schon Aufgabe von Kindergärten und Schulen. Gleichzeitig sei es Anliegen aller Landesmedienanstalten, zu medienkompetentem Verhalten zu befähigen.

Die Zukunft ist online – auf diese Aussage verständigten sich alle Panel-Teilnehmer unwiderspro-chen. Es lebe sich zwar derzeit noch recht komfortabel in einer Offline-Welt. Gesellschaftlicher Druck und wirtschaftliche Entwicklungen ließen jedoch keinen Zweifel daran, dass sich Online-Verweigerer selbst einige Teilhabemöglichkeiten nehmen würden. Franz Josef Pschierer, Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie, unterstrich die Bedeutung von Medienkompetenz im Alltagshandeln. Bayern habe in diesem Zusammenhang beispielsweise mit dem Medienführerschein ein Erfolgsmodell gestartet. Dennoch sei der regelhafte Einzug von IT in alle Bildungsbereiche noch nicht auf dem Stand, den er sich wünsche, betonte Pschierer. Es gebe noch zu viele Insellösungen, und die Ausbildung von Lehrern berücksichtige noch immer nicht die Veränderungen einer vollständig mediatisierten Welt. Im Übrigen seien auch die Eltern gefragt, medienkompetentes Handeln zu unterstützen.

Diskutiert wurde nicht nur über die technische Medienkompetenz, sondern auch darüber, ob die Nutzung von Online-Angeboten möglicherweise das Wertesystem, das unsere Gesellschaft aus-macht, verändert. Uwe Hasebrink argumentierte, dass Medien per se nicht ein Wertekonstrukt verändern würden. „Bei aller Kritik und Sorge glaube ich, dass auch junge Menschen ein ihnen innewohnendes Gespür dafür haben, wann ihre Privatsphäre verletzt wird. Die Aufgabe von allen Sozialisierungsinstanzen ist es, Alltagskompetenz unter mediatisierten Bedingungen zu vermitteln.“ Dazu gebe es bereits eine Vielzahl erfolgreicher Projekte, die belegen würden, dass die Befähigung zu medienkompetentem Verhalten nicht zwingend eine Frage finanzieller Ressourcen sei, berichtete Hasebrink. „Kreative Ideen bringen uns möglicherweise weiter“, ergänzte Schwaderer. Die Schaffung und Bewahrung digitaler Selbstständigkeit bleibe wichtigstes Ziel, formulierte abschließend der GVK-Vorsitzende Engel. Die Ressourcen stünden nicht zuletzt über die Landesmedienanstalten bereit. Diesem Resümee schlossen sich alle Experten auf dem Podium an.

Tagungsbericht der Medientage München GmbH

 

Dokumentation

GVK-Vorsitzender Engel im Interview mit br alpha am Rande der Medientage München 2015

Begrüßung

Winfried Engel, Vorsitzender, Gremienvorsitzendenkonferenz der Medienanstalten

Impuls  

Professor Dr. Uwe Hasebrink, Direktor, Hans-Bredow-Institut für Medienforschung

Paneldiskussion   

Mechthild Appelhoff, Leitung der Abteilung Förderung, Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen

Winfried Engel, Vorsitzender, Gremienvorsitzendenkonferenz der Medienanstalten

Professor Dr. Uwe Hasebrink, Direktor, Hans-Bredow-Institut für Medienforschung

Hannes Schwaderer, Präsident, Initiative D21 und Director Energy and Industrial Sectors EMEA, Intel Deutschland

Franz Josef Pschierer, Staatssekretär, Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie

Moderation  

Vera Linß, Journalistin und Moderatorin

© Medientage München GmbH

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