KJM im Dialog: Jugendmedienschutz in sozialen Medien

Fake News, Bots, Hasskommentare – Was können wir tun? Wo müssen wir ansetzen? Welche Instrumente fehlen der Aufsicht aktuell? Über diese Fragen diskutierten die Teilnehmer der Veranstaltungsreihe „KJM im Dialog“ am 17. Mai 2017 in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung. 

Cornelia Holsten, KJM-Vorsitzende und Direktorin der Bremischen Landesmedienanstalt (brema) wies darauf hin, dass das Phänomen Hate Speech für die KJM kein neues Phänomen sei. Im Kampf gegen Hassreden im Netz müsse die auf Seiten der Medienaufsicht, aber auch bei den Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle vorhandene Expertise genutzt und das System der regulierten Selbstregulierung gestärkt werden:

„Mein Appell an alle Plattformanbieter, die noch nicht einer Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle beigetreten sind: Werden Sie Mitglied!“

Heike Raab, Staatssekretärin und Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa, für Medien und Digitales, forderte in ihrem Grußwort eine starke Rolle für die Landesmedienanstalten im System der Medienaufsicht im Internet. Sie wies darauf hin, dass die Rechtsdurchsetzung im Hinblick auf internationale Anbieter bei Verstößen im Netz zwar kompliziert, aber nicht unmöglich sei:

„Nur weil der Vollzug schwierig ist, darf sich die Aufsicht nicht auf den Standpunkt stellen, nicht zuständig zu sein.“

Im Kulturausschuss des Bundesrates hätten die Länder eine Stellungnahme zum Entwurf des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) eingebracht, um festzustellen, inwieweit dieser in die Kompetenzen der Länder eingreife.

Prof. Dr. Marc Liesching, Professor für Medienrecht und Medientheorie an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig, fasste in seiner Keynote die aktuelle rechtliche Situation zusammen. Er kritisierte, dass der Entwurf des NetzDG Fake News gar nicht und Hassreden im Netz nur teilweise erfasse. Zudem sah er eine klare Überlagerung von Zuständigkeiten mit der KJM. Er wies darauf hin, dass die Rechtsdurchsetzung auch weiterhin in den Händen der Strafjustiz und nicht einzelner Unternehmen liegen müsse.   

Anschließend diskutierten die Teilnehmer in einer Podiumsdiskussion über die aktuelle Situation und die möglichen Lösungsansätze.

Eva-Maria Kirschsieper, Head of Public Policy, Facebook, schilderte die Anstrengungen, die das Netzwerk unternehme, um die Nutzung sicher zu gestalten. Man arbeite eng mit der FSM zusammen und lösche unverzüglich Inhalte, die von dort gemeldet würden. Das Löschteam in Berlin, das von der Firma arvato gestellt werde, umfasse rund 600 Personen. Dabei würden auch technische Lösungen eingesetzt, die sicherstellen sollten, dass einmal als unzulässig klassifizierte Inhalte nicht wieder eingestellt würden. Sie hob hervor, dass Hate Speech ein gesamtgesellschaftliches Phänomen sei. Sich darum zu kümmern, dass Menschen keine Hasskommentare posten, sei nicht Aufgabe eines Plattformbetreibers, sondern der Gesellschaft als Ganzes. Ähnlich sah dies Johannes Baldauf, Projektleiter bei der Amadeu-Antonio-Stiftung. Auch er forderte dazu auf, das Phänomen, das sich im digitalen Raum äußere, als ein gesellschaftliches zu sehen und entsprechend vielfältige Lösungen dagegen zu finden. Er kritisierte zudem die kurzen im NetzDG vorgegebenen Löschfristen als nicht einhaltbar.

Saskia Esken MdB, Abgeordnete der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied im Ausschuss für Digitale Agenda des Deutschen Bundestages, sowie Nadine Schön MdB, stellv. Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hoben die Bedeutung der Medienkompetenz in diesem Zusammenhang hervor. So gebe es sehr gute Projekte der Landesmedienanstalten dazu. Beide wiesen darauf hin, dass in der öffentlichen Debatte vergessen werde, dass laut NetzDG nicht die Bewertung von Inhalten bußgeldbewehrt sei, sondern das Nicht-Vorhalten von Beschwerdestrukturen. Saskia Esken betonte, der Bundestag werde sich in einer Anhörung mit dem geplanten NetzDG befassen. Nadine Schön rief die KJM dazu auf, sich als Aufsicht aktiv in die Debatte zum NetzDG einzubringen.

Cornelia Holsten, Vorsitzende der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) und Direktorin der Bremischen Landesmedienanstalt (brema) forderte, nicht mit einem Roboterjugendmedienschutz auf die Herausforderung Hate Speech zu antworten. Menschliche Bewertungskompetenz sei gefragt. Die KJM arbeite seit vielen Jahren in diesem Bereich, nicht nur an der Bewertung von unzulässigen, sondern auch entwicklungsbeeinträchtigenden Äußerungen. Gerade in dem sensiblen Spannungsfeld zwischen unzulässigen Inhalten und freier Meinungsäußerung dürften nicht Software-Programme über die Löschung entscheiden.

Einig waren sich die Teilnehmer darin, dass komplexe Phänomene wie Hassreden und Fake News nur in einem gesamtgesellschaftlichen Lösungsansatz mit großen gemeinsamen Anstrengungen seitens Politik, Unternehmen und Medienaufsicht bekämpft werden können.

Dokumentation

Blauer digitaler Wirbel auf schwarzem Hintergrund

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Pressemitteilung

Fake News und Hassreden im Netz erfordern kluge Lösungsstrategien
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