Smart TV - vom anonymen Zuschauer zum gläsernen Nutzer?

Veranstaltung der Gremienvorsitzendenkonferenz der Medienanstalten im Rahmen der Medientage München

Smart-TVs bieten den Nutzern ungeahnte Möglichkeiten zur individualisierten Nutzung von Programmen und Mediendiensten. Für Werbewirtschaft und Datendienstleister bergen die dabei generierten personenbezogenen Daten hingegen ungeahnte Wertschöpfungspotenziale. Hersteller von TV-Geräten und Programmanbieter verwalten eine Unmenge von Daten, die zur Verwertung an Dritte weitergegeben oder für die eigene Vermarktung von Werbeinventar genutzt werden können – bislang ohne das Wissen oder die Zustimmung der Nutzer. Darüber hinaus können die Zuschauer aufgrund der unzureichenden Verschlüsselung der Daten möglicherweise durch Dritte ausgespäht werden.

Wie können Sicherheit und Datenschutz auch bei HbbTV sichergestellt werden? Wie ist der derzeitige Stand der Diskussion? Was können die Fernsehveranstalter und die Geräteindustrie für die Sicherheit ihrer Kunden tun? Und welche Möglichkeiten hat der Gesetzgeber angesichts einer bislang fehlenden konvergenten Medienordnung?

Private und öffentlich-rechtliche Fernsehsender sowie die Gerätehersteller arbeiten derzeit intensiv an Richtlinien, mit denen der Datenschutz bei Smart TV und HbbTV gewährleistet werden kann. Dies wurde bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN deutlich. Die Veranstaltung wurde gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten angeboten. Bislang, das machte Falk Steiner, Korrespondent im Hauptstadtstudio vom Deutschlandfunk in seiner Keynote deutlich, findet der Datenschutz beim Fernsehen mit Internetzugang und Rückkanalmöglichkeit nur wenig Beachtung.

„Wenn wir Smart TV schauen, ist das, wie wenn uns jemand dabei über die Schulter sieht“,

warnte Steiner. Die Daten, wer welche Programme zu welcher Zeit nutze, würden unverschlüsselt und ohne Einwilligung des Zuschauers übertragen: „Das wird über die Leitung gepustet, als ob es nichts wäre.“Vertreter der TV-Programmanbieter sowie der Geräteindustrie machten deutlich, dass sie sich dieses Problems bewusst seien. Hinter den Kulissen wird deshalb offenbar mit Nachdruck nach Lösungen gesucht. Sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatwirtschaftliche Anbieter von TV-Programmen sowie der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) arbeiten derzeit eigene Datenschutzrichtlinien aus.

„Wir haben dazu für die private Anbieterseite Leitlinien verabschiedet“,

bestätigte Annette Kümmel. Die Direktorin Medienpolitik der ProSiebenSat.1 Media AG berichtete, jetzt würden Gespräche mit Vertretern von ARD und ZDF stattfinden, die ebenfalls intern Richtlinien aufgestellt hätten. Dr. Oliver Werner, Direktor für Produktion und Technik beim WDR, wies darauf hin, dass die beiden Bereiche des dualen Rundfunksystems unterschiedliche Schwerpunkte setzten. Während private Anbieter mit ihren Smart-TV-Angeboten den Fernseher beispielsweise zum Vertriebskanal ausbauen wollten, gehe es der öffentlich-rechtlichen Seite vor allem um die Einbindung weiterer Programminhalte wie die sendereigenen Mediatheken. Carine Lea Chardon, Leiterin des Bereichs Medienpolitik/Medienrecht beim ZVEI, wies darauf hin, dass es bei der Erstinstallation eines Smart-TV-Gerätes, das erst einmal nur den Zugang zum Internet ermöglicht, für den Nutzer bereits eine langwierige Abfrageprozedur gebe. „Über den Fernseher tappt niemand in das Internet, ohne sich darüber im Klaren zu sein“, sagte Chardon. Lösungen müssten dagegen für HbbTV (Hybrid broadcast broadband TV) gefunden werden. Dieses System arbeitet mit einer vorinstallierten Software, die ab Werk aktiviert ist und Cookies verwendet. So können die Sender ihren Zuschauern etwa zum Programm passende Online-Inhalte anbieten. Gleichwohl hätten auch die Gerätehersteller Leitlinien erarbeitet.

„Diese sind eine erste Grundlage“, betonte Chardon und versprach: „Wir sind bereit, den Dialog zu intensivieren.“Dass es für so einen Konsens höchste Zeit ist, darauf wies Thomas Kranig, Präsident des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht, hin. In Absprache mit den Datenschutzbeauftragten der anderen Bundesländer sowie der Industrie wird die Behörde in den nächsten Wochen eine genauere Untersuchung der Smart-TV-Geräte einleiten. Im ersten Schritt werde technisch geprüft, welche Datenflüsse stattfinden. Im zweiten Schritt werde dann eine rechtliche Bewertung dieser Ergebnisse erfolgen. „Wenn es ohne Zustimmung des Zuschauers in Richtung Tracking geht, könnte dies problematisch werden“, urteilte Kranig. Dann könnte es sein, dass Änderungen vorge-nommen werden müssten, die die Programmanbieter betreffen würden.Am Ende der Diskussion wurde klar, dass die Beteiligten die Zukunft gerne mitgestalten würden – schließlich gilt der Smart-TV-Markt als äußerst viel versprechend. Eine branchenweite Einigung sei in „greifbarer Nähe“, betonte Kümmel von ProSiebenSat.1. Werner gab zu Protokoll, er wünsche sich außer gemeinsam erarbeiteten Richtlinien auch einen Code of Conduct, der als Qualitätsmerkmal beim Datenschutz sogar Standards für andere Anwendungen setzen könne. Chardon rief die Sender dazu auf, doch eine Öffentlichkeitskampagne zu initiieren. Damit könnten einerseits die Vorzüge von HbbTV geschildert, andererseits aber auch Transparenz in das Thema Datenschutz gebracht werden.

Tagungsbericht der Medientage München GmbH


Screenshot: medienportal.tv/Medientage München GmbH

Keynote

Falk Steiner, Korrespondent, Hauptstadtstudio Deutschlandradio, Berlin

Podiumsdiskussion

Carine Chardon, Leiterin Medienpolitik/Medienrecht, ZVEI e.V., Frankfurt

Thomas Kranig, Präsident des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht

Annette Kümmel, Direktorin Medienpolitik, ProSiebenSat.1 Media AG, Unterföhring

Dr. Oliver Werner, Chefingenieur des WDR, Westdeutscher Rundfunk, Köln

Moderation

Werner Lauff, Publizist, Düsseldorf

 

Pressemitteilung

Schutz vor Ausspähung der Zuschauer beim Smart-TV 

© Medientage München GmbH

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