Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität
Berlin, 17.01.2020
Einleitung
Am 18. Dezember 2019 veröffentlichte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) den Referentenentwurf für ein "Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität". Mit diesem Gesetz sollen mehrere Punkte des von der Bundesregierung am 30.Oktober 2019 beschlossenen Maßnahmenpakets gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität umgesetzt werden.
Eine zentrale Neuerung ist die Regelung zu einem neuen § 3 a NetzDG, der eine Meldepflicht für Anbieter von sozialen Netzwerken an das BKA vorschreibt, sofern das Netzwerk einen Inhalt wegen Verdachts auf einschlägige Straftaten entfernt oder gesperrt hat. Zusammen mit der Meldung sind die Daten desjenigen zu übermitteln, der den Inhalt bereitgestellt oder geteilt hat.
Darüber hinaus werden einschlägige Straftatbestände geschaffen bzw. präzisiert und Regelungen zum Sammeln und Melden von Verkehrs- und Nutzungsdaten sowie für die Meldung entsprechender Inhalte vorgesehen. Zudem wird in § 15 a TMG-E im Zusammenhang mit Straftaten, deren Ahndung für den Schutz der demokratischen und pluralistischen Gesellschaft von Bedeutung ist sowie mit Straftaten im Zusammenhang mit Kinderpornografie das Auskunftsverfahren überarbeitet. Insbesondere werden Regelungen zur Auskunft über sog. Bestands- und Nutzungsdaten gegenüber Behörden neu geregelt.
Die Medienanstalten teilen die dem Gesetzesentwurf zugrundeliegende Zielsetzung, die grundgesetzlich garantierte Meinungsäußerungsfreiheit auch im Netz zu schützen. Diese Freiheit des Einzelnen ist gegen Drohungen, Beleidigungen oder Hetze zu schützen. Diejenigen, die gegen entsprechende Straftatbestände verstoßen, sind daher zur Verantwortung zu ziehen.
Die Landesmedienanstalten verfügen bereits über vielfältige entsprechende Erfahrungen aus ihrer Arbeit. Zum einen unter dem Gesichtspunkt des Jugendmedienschutzes als die für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten in diesem Bereich zuständigen Stellen. Zum anderen aus erfolgreichen Länderinitiativen wie unter anderem „Verfolgen statt nur Löschen – Rechtsdurchsetzung im Internet“ (NRW), „Justiz und Medien – Konsequenz gegen Hass im Internet“ (Bayern). In Zusammenarbeit mit Medienhäusern und Strafverfolgungsbehörden werden hier strafrechtlich relevante Äußerungen zur Anzeige gebracht und einer Strafverfolgung zugeführt oder in eigener Zuständigkeit verfolgt.
Angesichts der sich überschneidenden Handlungsfelder wäre eine Einbeziehung der bereits bestehenden Medienaufsichtsstruktur in angemessenen Umfang sinnvoll und hilfreich, woran es dem Entwurf hingegen fehlt. Dies erscheint neben dem Gebot der Staatsferne auch aus pragmatischen Erwägungen nicht zielgerecht. Nur eine Berücksichtigung der Medienaufsicht in den Ländern kann einen umfassenden Ansatz auch außerhalb der strafrechtlich relevanten Konstellationen gewährleisten.
Zudem kann nur über die Einbeziehung der staatsfernen Medienaufsicht auch einer Balance zwischen individuellen Schutzgütern und einem Schutz der Meinungsfreiheit gewährleistet werden. Im Einzelnen bedeutet dies:
1 Änderung des Telemediengesetzes
Im Zusammenhang mit der Schaffung eines geregelten Auskunftsverfahrens für Bestands- und Nutzungsdaten von geschäftsmäßig agierenden Telemediendiensten wird angeregt, auch den Medienanstalten einen Auskunftsanspruch gegenüber Plattformbetreibern zukommen zu lassen, damit wir unserer Aufgabe, die Einhaltung der medienrechtlichen Vorschriften zu gewährleisten, gerecht werden können. In der Stellungnahme der Medienanstalten vom 23.08.2019 zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes und zur Änderung weiterer Gesetze wurde darauf hingewiesen, dass das Fehlen eines Auskunftsanspruchs für die Medienanstalten ein erhebliches Problem im Rechtsvollzug darstellt.
Grundsätzlich sehen sich die Medienanstalten im aktuellen Entwurf im Bereich der Ordnungswidrigkeitsverfahren von § 15 a Abs. 1 Satz 1 i. V .m. Abs. 3 Nr. 1 TMG mit umfasst. § 15 a Abs. 2 TMG-E besagt aber, dass
„die Auskunft nur erteilt werden darf, soweit eine in Absatz 3 genannte Stelle dies unter Angabe einer gesetzlichen Bestimmung, die ihr eine Erhebung der in Absatz 1 in Bezug genommen Daten erlaubt, […]“
in Textform beantragt. Eine solche gesetzliche Bestimmung zur Datenerhebung durch die Medienanstalten liegt jedoch nicht vor. Um einen effektiven Rechtsvollzug zu ermöglichen, ist eine solche Bestimmung unabdingbar.
Vorbild könnte dabei die durch den Referentenentwurf angestrebte Änderung des Bundeskriminalamtgesetzes (§ 10 Abs. 1 Satz 2 BKAG) sein. Die Medienanstalten regen deshalb die Schaffung einer gesetzlichen Bestimmung an, die ihnen die Erhebung der für ihre Aufgaben notwendigen Daten im Sinne der § 14 Abs. 1 und § 15 Abs. 1 TMG ermöglicht. Außerdem wird die Erweiterung des § 15 a Abs. 3 auf die „zur Erfüllung der Aufgaben der für die Telemedienaufsicht zuständigen Behörden“ angeregt.
Aus Sicht der Medienaufsicht sind dabei die personenbezogenen Daten hinreichend aber auch notwendig, die eine Identifikation und Adressierung desjenigen, der straf- und medienrechtlich relevante Inhalte verbreitet, zuverlässig ermöglichen, um eventuelle Ordnungswidrigkeiten, die nicht auch einen Straftatbestand darstellen, ahnden zu können.
2 Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes
- Die Medienanstalten begrüßen den Ansatz, rechtswidrige Inhalte nicht nur zu löschen, bzw. durch den Plattformbetreiber oder Intermediär löschen zu lassen, sondern die Verursacher strafrechtlich zur Rechenschaft zu ziehen. Dieses Vorgehen entspricht den oben bereits genannten Länderinitiativen.
- Im nun vorliegenden Entwurf wird jedoch - anders als bei den oben genannten Länderinitiativen - ein kooperativer Ansatz mit einem Zusammenspiel von Akteuren, die sich in der Vergangenheit bereits erfolgreich der Problematik angenommen haben, leider nicht verfolgt. Ratsam wäre in jedem Fall ein Austausch zwischen der neu geschaffenen Stelle beim Bundeskriminalamt und den bereits mit der Thematik befassten Medienanstalten, um Ressourcen sinnvoll zu nutzen und die Expertise der Medienanstalten in Bezug auf die Sicherung der Meinungsfreiheit einzubinden. Medienanstalten und Strafverfolgungsbehörden der Länder können diesen Prozess effektiv unterstützen.
- Im Zusammenspiel der geplanten Änderungen erscheint derzeit beispielsweise noch unklar, ob und wie im Rahmen der verschiedenen Auskunftsansprüche und -verfahren sowie der neuen Meldepflicht die gerichtsfeste Beweissicherung von Verstößen für anschließende Strafverfahren erfolgen soll. Es muss sichergestellt werden, dass alle erheblichen Daten in einer bei Gericht verwertbaren Form zu der zuständigen Staatsanwaltschaft gelangen. Hier könnte auf die Erfahrungen der Projekte der Medienanstalten zurückgegriffen werden.
- § 3 a NetzDG sieht vor, dass Anbieter von sozialen Netzwerken dem Bundeskriminalamt als Zentralstelle Inhalte dann übermittelt, wenn „konkrete Anhaltspunkte“ dafür bestehen, dass einer der aufgelisteten Tatbestände erfüllt und nicht gerechtfertigt ist. Die Abwägung, in welchem Fall Aussagen von der Meinungsfreiheit gedeckt sind und wann diese Grenze überschritten wurde, ist schon aufgrund der Komplexität der Rechts- und Abwägungsfrage eine klassische Aufgabe der Justiz. Im Bereich der Exekutive kann eine solche Aufgabe jedoch nicht der Wirtschaft übertragen werden. Die Medienanstalten regen daher an, die Frage, wie viel der staatlichen Strafverfolgungsaufgaben den sozialen Netzwerken überlassen werden sollen, einer intensiven Neubewertung zu unterziehen und bei einer zu erarbeitenden Lösung insbesondere die Medienaufsicht mitzuberücksichtigen.