Digital Services Act

Digital Services Act und Digital Markets Act der EU - Eingabe der Medienanstalten im Konsultationsprozess der EU-Kommission

Stellungnahme
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Berlin, 30.03.2021

A. Vorbemerkung

Die Medienanstalten begrüßen grundsätzlich die Legislativvorschläge der EU-Kommission für einen Digital Services Act und einen Digital Markets Act. Sie sind ein wichtiger Schritt für eine Stärkung des europäischen Binnenmarkts und stellen die dringend notwendige Prärogative des Gesetzgebers im Zusammenhang mit der Regulierung von globalen Onlinediensten wieder in den Mittelpunkt.

Schwierigkeiten ergeben sich allerdings aus dem fehlenden Konkretisierungsgrad des Verordnungsentwurfs, der an zentralen Stellen eher den Charakter einer Richtlinie trägt. Um in der Praxis effektiv exekutierbar zu sein, erscheinen uns einige Konkretisierungen in den Verfahrensabläufen notwendig, die auch den Besonderheiten der Medienregulierung gerecht werden müssen.

Die Medienanstalten haben außerdem Bedenken, dass die im DSA-Entwurf vorgesehene Aufsichtsstruktur funktionierende Mechaniken in den Mitgliedstaaten schwächt, da die Vorschläge die bereits festgelegten und vereinbarten Arbeitsprozesse innerhalb der Mitgliedstaaten und zwischen diesen – im Bereich Medien über die ERGA – nicht berücksichtigt und hierfür keinen umfassenden und effektiven Ersatz schafft.

Hierzu im Einzelnen:

B. Annahmen der EU-Kommission

Die in Teil C (siehe unten) identifizierten, kritikwürdigen Lösungsansätze des Vorschlags fußen zu einem großen Teil auf Ausgangsüberlegungen der EU-Kommission, die aus der praktischen Erfahrung der Regulierarbeit nicht bestätigt werden können.

Die EU-Kommission formuliert Teile ihres Vorschlags, insbesondere jene zu den Verfahren und der paneuropäischen Zusammenarbeit (Teil C, Punkt 1) sowie zur Aufsichtsstruktur im Allgemeinen (Teil C, Punkt 2) vor dem Hintergrund einer angenommenen Problemlage, die die Praxis nur unvollständig widerspiegelt.

1. Annahme eines Konfliktfalls zwischen Regulierungsbehörden auf europäischer Ebene.

Zentrale Ausgangsüberlegung der Kommission ist eine Struktur der Rechtsverstöße durch Onlineplattformen von grundsätzlich paneuropäischer Relevanz. Hierbei geht sie von einer mangelhaften gesamteuropäischen Abstimmung der Regulierung aus.

Tatsächlich haben Rechtsverstöße durch Onlineplattformen zwar eine europäische aber eben keine gesamteuropäische sondern eine grenzüberschreitende Dimension. Dieser Unterschied erscheint wesentlich. Ein Rechtsbruch erfolgt zunächst immer national; grenzüberschreitende Elemente treten zwar regelmäßig auf, sie berühren aber jeweils nur zwei, maximal drei unmittelbar betroffene Mitgliedstaaten. Solche Fälle lassen sich durch stabile und gut funktionierende bilaterale Abstimmungen zufriedenstellend lösen, ohne dass es einer Gesamtbetrachtung durch ein paneuropäisches Gremium bedarf (siehe dazu Teil C, Punkt 2.2). Ganz im Gegenteil, eine solche Gesamtbetrachtung wäre eher ein Rückschritt bei der Effizienz und Effektivität.

2. Annahme kompetenzieller Schwierigkeiten auf Ebene der Mitgliedstaaten

Der Entwurf des DSA geht vor allem hinsichtlich der Aufsichtsstruktur von einem zusätzlichen Koordinationsbedarf zwischen nationalen, sektoralen Regulierungsbehörden aus und schreibt daher die Einrichtung eines sogenannten Digital Services Coordinators (DSC) vor. Die Medienanstalten teilen die Auffassung der Kommission, dass die Straffung der Struktur der Ansprechpartner in den Mitgliedstaaten notwendig ist, um den zunehmenden Anforderungen der Konvergenz der europäischen Medienlandschaft gerecht zu werden und eine effektive Rechtsdurchsetzung zu gewährleisten. Die Schaffung neuer Strukturen rund um die DSCs ist hierfür jedoch nicht angezeigt, denn die Konfliktfälle existieren in der angenommenen Intensität nicht. Abstimmungen zwischen Aufsichtseinrichtungen für die unterschiedlichen Sektoren sind zwar hilfreich und in der Regel national auch vorgesehen. Ein darüber hinausgehendes Ineinanderwirken der betroffenen sektoralen Einrichtungen ist jedoch nicht nur unnötig, sondern entspricht auch nicht der aufsichtsrechtlichen Realität (siehe dazu Teil C, Punkt 2.1).

3. Annahme eines fehlenden Harmonisierungsgrads der sektoralen Schutzzwecke.

Als horizontaler Rechtsakt muss der DSA zwar eine ausreichende Differenzierung der von den verschiedenen Sektoren in unterschiedlicher Intensität betroffenen Schutzgüter herstellen. Ein klassisches Harmonisierungsproblem dieser unterschiedlichen Schutzzwecke, wie von der EU-Kommission angenommen, besteht mangels im Einzelfall überschneidender Elemente jedoch nicht. Eine Abstimmung der für die unterschiedlichen Sektoren zuständigen Regulierungseinrichtungen ist ausreichend (siehe dazu Teil C, Punkt 2.1).

Eine weitergehende Vereinheitlichung wäre eine Frage der Kongruenz der unterschiedlichen und teilweise gegenläufigen Schutzgüter, die eine Verordnung nicht leisten kann und zum Beispiel für den Bereich der Vielfaltssicherung auch nicht leisten darf.

Aus diesen Gründen unterstützen die Medienanstalten zwar den Ansatz einer Europäisierung der Strukturen, erkennen jedoch weder einen Mehrwert durch die Schaffung der Digital Services Coordinators noch einen Anwendungsfall für ein gesamteuropäisches Digital Services Board. Im Gegenteil, der DSA muss deutlicher klarstellen, dass bestehende Strukturen, Kompetenzen und Formen der Medienregulierung nicht durch horizontale Lösungen beeinträchtigt werden.
Für eine effektive Rechtsdurchsetzung in grenzüberschreitenden Fällen benötigt es vielmehr ausreichend klare (meist bilaterale) Verfahrensregeln und stabile sektorale Netzwerke. Ein solches Netzwerk bietet zum Beispiel die European Regulators Group for Audiovisual Media Services (ERGA), die ihrerseits mit ihrem Memorandum of Understanding für eine konsistente und von gemeinsamen Interessen getragene Anwendung des europäischen Rechtsrahmens für Mediendienste sorgt.

C. Konkrete Problempunkte und Lösungsansätze

Die Medienanstalten unterstützen den Ansatz eines abstrakten Regulierungsniveaus soweit es die tatbestandliche Ebene betrifft. Nur so kann eine Rechtsordnung geschaffen werden, die auch zukünftige Entwicklungen abbilden kann.

Für den Bereich der Haftungsmechanik und exekutiven Umsetzung gilt allerdings das Wesentlichkeitsprinzip. Diesem muss eine Verordnung im Interesse der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit von Bürgern und Markteilnehmern gerecht werden.

Die Medienanstalten appellieren daher an die EU-Kommission, Möglichkeiten und Grenzen des Eingriffs nationaler Regulierungseinrichtungen klarer festzulegen und zu beschreiben.

Abstrakt müssen DSA und DMA folgende Fragen deutlicher beantworten:

  • Zu welchen Eingriffen ist eine Medienregulierungseinrichtung im Sinne der beiden Verordnungen berechtigt?
  • Welche Vorgaben und Auflagen für Onlinedienste sind auf welche Art exekutierbar?

Konkret identifizieren die Medienanstalten die folgenden Punkte des DSA als besonders problematisch und regen im Sinne eines effektiven Rechtsschutzes eine sorgfältige Überprüfung an:

1. Inhaltliche Vorgaben

Die Möglichkeiten für „Orders to act against illegal content“ (Art. 8) und „Orders to provide information“ (Art. 9) versuchen zwar, der zuständigen Behörde im Empfangsland eine unmittelbare Durchgriffsmöglichkeit gegenüber einem ausländischen Diensteanbieter einzuräumen. Sie lassen dabei jedoch zentrale Anforderungen außen vor bzw. regeln diese nicht eindeutig.

1.1. Dienstekategorien (Art. 2 lit. f) DSA-Entwurf)

Problem:

Dem Vorschlag fehlen zwei wesentliche Elemente in Bezug auf die Kategorisierung von Diensten: 1) Er enthält keine Kriterien für die Zuordnung von Diensten. 2) Er enthält keine Regelung, wie sich diese Kategorien zu in anderen Rechtsakten aufgestellten Kategorien verhalten. Im Sinne der auch dem DSA im Prinzip zugrundeliegenden Kaskade der Eingriffsmöglichkeiten (Inhalteanbieter -->Hostprovider --> Accessprovider) ist eine eindeutige Zuordnung aber Voraussetzung für ein effektives Eingreifen der Medienregulierung.

Lösung:

Es bedarf einer (durchaus abstrakten) Dienstekategorisierung, die insbesondere auch dem Auftreten hybrider Diensteformen Rechnung trägt. Zudem muss sie ermöglichen, eine eindeutige Zuordnung des Dienstes zu treffen. Die hierzu angewandten Kriterien dürfen nicht auf Informationen beruhen, bei denen die Behörden alleine darauf angewiesen sind, dass diese ihnen von den Diensten zur Verfügung gestellt werden.

1.2. Rechtsfolgen bei Nichtbefolgen der Anordnungen

Problem:

Art. 8 und 9 sehen lediglich eine Antwortpflicht, aber keine Rechtsfolge vor, wenn und soweit Dienste den Anordnungen zum Vorgehen gegen illegale Inhalte (Art. 8) oder den Informationsanordnungen (Art. 9) nicht nachkommen. Damit bleibt die Verordnung in etwa auf dem Status quo ante. Bereits jetzt können Behörden grundsätzlich ausländische Anbieter adressieren, ohne dass dies unmittelbar das Herkunftslandprinzip verletzen würde. Das eigentliche Problem – sowohl heute als auch mit dem DSA-Vorschlag – ist die fehlende Konsequenz bei ausbleibender Kooperation.

Lösung:

Es bedarf einer Klarstellung, dass bei nicht Befolgen der Anordnungen konkret benannte oder zumindest abstrakt umschriebene Rechtsfolgen durch die Behörde veranlasst werden können.

1.3. Differenzierung anhand der Größe der Plattform (Art. 25 ff. DSA-Entwurf)

Problem:

Der Vorschlag differenziert gewisse Vorgaben und Eingriffsschwellen anhand der Größe der betroffenen Plattformen. Aus medienrechtlicher Sicht geht eine solche Differenzierung an der Regulierungsrealität vorbei. Die Größe eines Anbieters korreliert nicht unbedingt mit dem von ihr ausgehenden Gefährdungspotential. Gerade im Bereich von volksverhetzenden Inhalten stellen wir regelmäßig Abwanderungstendenzen von größeren zu (zunächst) kleineren Plattformen fest, ohne dass die Bedrohungen für demokratische Grundwerte abnehmen (jüngstes Beispiel: Telegram).

Lösung:

Eine Differenzierung anhand der Größe von Anbietern sollte höchstens auf Rechtsfolgenseite stattfinden oder müsste für die einzelnen Anwendungsfälle nochmal nachgeschärft werden.

1.4. Zustellung

Problem:

Der Vorschlag enthält keine Aussage dazu, wie die Zustellung einer Anordnung nach Art. 8 oder Art. 9 einer Behörde im Empfangsland an einen ausländischen Diensteanbieter rechtssicher erfolgen soll. Ähnlich der eindeutigen Einordnung eines bestimmten Dienstes (oben unter 1.1.) ist eine eindeutige Zustellung unerlässlich für ein Fortkommen in der Verantwortungshierarchie der Diensteanbieter.

Lösung:

Sicherstellung, dass ein Verfahren nach Art. 8 nicht daran scheitert, dass die Anordnung nicht ordnungsgemäß zugestellt werden kann.

1.5. "Konkreter illegaler Inhalt" (Art. 8 Abs. 1 DSA-Entwurf)

Problem:

Der Vorschlag verlangt das Vorgehen gegen einen konkreten, illegalen Inhalt durch die zuständige Behörde.

Damit lässt er zum einen offen, welche Anforderungen an einen „konkreten“ Inhalt im Einzelnen gestellt werden. Medienaufsicht bezieht sich nicht ausschließlich auf einzelne Inhalte, sondern verfolgt auch systemische Verletzungen, zum Beispiel das Nicht-Vorhalten von Altersverifikationssystemen im Bereich des Jugendmedienschutzes.  

Zum anderen bleibt der Begriff „illegal“ zu unbestimmt und könnte auf nationaler Ebene so ausgelegt werden, dass damit ausschließlich strafrechtlich relevante Inhalte erfasst sind. Dies trifft jedoch nicht auf alle medienrechtlich unzulässigen Inhalte zu und greift daher zu kurz.

Lösung:

Es bedarf Klarstellungen dahingehend,

  • dass auch im Fall systemischer Fehler eine Anordnung gegenüber einem Intermediary Service erlassen werden darf;
  • dass nicht rein strafrechtlich relevante Inhalte erfasst sind (beispielsweise durch Verwendung des Begriffs „non-legal“).


1.6. Sprache des Providers (Art. 8 Abs. 2 lit. c) DSA-Entwurf)

Problem:

Der Vorschlag verlangt von der zuständigen Behörde, Orders gemäß Art. 8 in der vom Diensteanbieter festgelegten Sprache zu verfassen. Dies eröffnet inakzeptable Rückzugsmöglichkeiten eines Diensteanbieters rein durch die Wahl einer handelsunüblichen Sprache und stellt eine unzumutbare Hürde für die eingreifende Behörde dar.

Lösung:

Beschränkung der Wahlmöglichkeiten auf die drei Arbeitssprachen der EU: Deutsch, Englisch und Französisch.

1.7. Allgemeine Geschäftsbedingungen (Art. 12 DSA-Entwurf)

Problem:

Der Vorschlag räumt Vermittlungsdiensten implizit die Möglichkeit ein, über ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen Beschränkungen für die Nutzung ihrer Dienste zusätzlich zu den gesetzlichen Vorgaben vorzusehen.

Soweit hier journalistisch-redaktionelle Angebote von Medienunternehmen betroffen sind, kann dies zu einer Doppelkontrolle führen, da diese Inhalte entweder durch die unabhängige Medienaufsicht (im Fall von Rundfunk- und Abrufdiensten) oder durch funktionierende Selbstregulierung (im Fall von Presseangeboten) bereits auf Vereinbarkeit mit medienrechtlichen Grundsätzen geprüft worden sind. Eine derartige Doppelkontrolle stellt eine Gefahr für das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Medien- und Pressefreiheit dar, da Vermittlungsdienste aufgrund ihrer Marktmacht faktisch an Stelle des Gesetzgebers die Standards für die freie Meinungsäußerung setzen.

Lösung:

Der DSA muss deutlich machen, dass die Prärogative des Gesetzgebers auch bei der Definition der Grenzen und Möglichkeiten der freien Meinungsäußerung gilt. Denkbar wäre zum einen die Aufnahme eines ausdrücklichen Verbots für Vermittlungsdienste, durch ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen von rechtlichen Vorgaben abzuweichen. Zum anderen könnte über eine klare Abgrenzung zur sektorspezifischen Mediengesetzgebung klargestellt werden, dass Angebote, die einer funktionierenden Medienaufsicht oder Selbstkontrolle unterliegen, nicht zusätzlich durch allgemeine Geschäftsbedingungen der Vermittlungsdienste belastet werden.

2. Aufsichtsstruktur

Die Medienanstalten sind die zuständigen unabhängigen, nationalen Einrichtungen zur Beaufsichtigung der privaten Mediendiensteanbieter im Sinne von Art. 30a der AVMD-Richtlinie.

Die Vorschläge der EU-Kommission sowohl zum DSA als auch zum DMA haben signifikante Auswirkungen auf die medienrechtliche, grenzüberschreitende Durchsetzung fundamentaler Schutzgüter wie dem Jugend- und Verbraucherschutz, der Menschenwürde und der Meinungs- und Medienvielfalt.

Sowohl die neuen Vorgaben für Digitale Dienste und Gatekeeper als auch die teilweisen Änderungen der E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EU adressieren zwar diese Herausforderungen, sie lassen aber wichtige Fragen und Besonderheiten der Medienregulierung unbeantwortet.

Insbesondere lassen die Vorschläge nicht erkennen, inwieweit die EU-Kommission die Erfolge nationaler Aufsichtsbehörden und ihre Zusammenarbeit auf europäischer Ebene in ihrer Problembeschreibung angemessen berücksichtigt. So haben die Medienanstalten alleine in 2020 mehr als 1.200 Rechtsverstöße im Online-Bereich verfolgt und geahndet, davon mehr als 50 mit grenzüberschreitenden Elementen.

2.1. Nationale Digital Services Coordinators (Art. 38 DSA-Entwurf)

Problem:

Der Vorschlag verpflichtet die Mitgliedstaaten, jeweils einen nationalen Digital Services Coordinator zu benennen und greift dadurch weit in die mitgliedstaatliche Binnenorganisation ein, die insbesondere im Bereich der Medienregulierung höchst problematisch ist. Zudem nötigt der Vorschlag die Mitgliedstaaten, die verschiedenen Regulierungsbehörden jedenfalls faktisch in ein Hierarchieverhältnis zu bringen.

Lösung:

Koordinierung auf europäischer statt auf mitgliedstaatlicher Ebene durch Nutzen bestehender europäischer Strukturen (ERGA, BEREC, CPC, Data Protection Board, European Competition Network) und Beschickung des Digital Services Board durch Mitglieder der jeweiligen Netzwerke und Gruppen.

Ähnlich dem Ministerratsprinzip der EU könnte das Digital Services Board auf diese Weise sicherstellen, dass bei der Anwendung des DSA der jeweils passende sektorspezifische Teil tätig wird und als Vermittler zur sektorspezifischen Anlaufstelle in den Mitgliedstaaten fungiert.

Den Rückgriff auf bereits etablierte Strukturen fordert auch der deutsche Bundesrat in seinem Beschluss vom 26. März 2021 (Drucksache 96/1/21) und stellt in Frage, ob die im DSA vorgesehenen Strukturen und Verfahren geeignet sind, zu einer wirkungsvollen Aufsicht beizutragen. Es müsse sichergestellt sein, dass der DSA durch die von mitgliedstaatlicher Seite bestimmten und ausgestalteten Strukturen beaufsichtigt und auch effektiv durchgesetzt werden kann.

Unabhängig davon ist eine parallele Vorgabe für Mitgliedstaaten, für eine angemessene Koordinierung ihrer Aufsichtseinrichtungen in den unterschiedlichen Sektoren zu sorgen, durchaus sinnvoll. Beispiele dafür – mit einer unterschiedlichen Intensität der Zusammenarbeit – finden sich bereits in einzelnen Mitgliedstaaten: Von einer einzelfallbezogenen Benehmensherstellung (z. B. in Deutschland) über eine regelmäßige Zusammenarbeit auf der Grundlage von verbindlichen Abreden (z. B in Frankreich) bis hin zu einem gemeinsamen Gremium (z. B. in Belgien) stehen zahlreiche erprobte Modelle zur Verfügung.

2.2. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit (Art. 45 DSA-Entwurf)

Problem:

Der Vorschlag enthält zwar Vorgaben an die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Digital Services Coordinators, ist aber bei den Verpflichtungen für die Behörde im Herkunftsland zu unverbindlich und bleibt somit weit hinter bestehenden Formen einer solchen Zusammenarbeit zurück. Das Memorandum of Understanding der ERGA beispielsweise, dessen Unterstützung der Rat in seinen Ratsschlussfolgerungen vom 11. November 2020 ausdrücklich fordert, enthält deutlich konsequentere Vorgaben für die territorial in erster Linie zuständige Behörde und lässt die Behörde im Empfangsland nicht ergebnislos zurück.

Lösung:

Stärkere Orientierung an bestehenden Formen der Zusammenarbeit und Aufgreifen bewährter Konzepte. Ein Handeln der Behörde im Empfangsland muss als ultima ratio möglich sein.

2.3. Pflichten und Fristen für Eingreifen der EU-Kommission (Art. 45 Abs. 6 und 7 DSA-Entwurf)

Problem:

Der Vorschlag sieht bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der nationalen Digital Services Coordinators eine Eskalationsstufe durch Einbinden der Europäischen Kommission vor. Diese Eskalationsstufe sieht für die Kommission allerdings ein zu großes Ermessen und zu lange Fristen für das eigene Tätigwerden vor (Stichworte Subsidiarität, Unabhängigkeit und Staatsferne der Aufsicht). Dies gefährdet das bereits heute erreichte Schutzniveau.

Lösung:

Bewahrung der Souveränität der Behörde im Empfangsland trotz Einschalten der Kommission und deutliche Verkürzung der Reaktionsfristen durch die Kommission.

2.4. Kompetenzen der Kommission und Entscheidungshoheit (Art. 51 DSA-Entwurf)

Problem:

Die EU-Kommission gibt sich mit dem Vorschlag im Zusammenhang mit „sehr großen Plattformen“ zu weitreichende eigene Zuständigkeiten und Letztentscheidungsmöglichkeiten. Die dem erkennbar dem Wettbewerbsrecht und der Terrorabwehr entliehenen Ideen berücksichtigen die Besonderheiten der Medienregulierung nur unzureichend. Zum einen ist eine derartige Form der Aufsicht nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip der EU vereinbar, da sie die Möglichkeiten mitgliedstaatlichen Handelns in unzulässiger Weise einschränkt. Zum anderen lässt sich die angedachte Rolle der EU-Kommission nicht mit den für die Medienregulierung unabdingbaren Prinzipen der Unabhängigkeit und Staatsferne der Aufsicht in Einklang bringen. Beide Prinzipen haben nicht ohne Grund ausdrücklichen Niederschlag in der jüngst überarbeiteten AVMD-Richtlinie gefunden. Sie sind essentiell für die Sicherung einer stabilen, demokratischen Medienlandschaft und den Schutz fundamentaler europäischer Schutzgüter.

In diesem Sinn fordert auch die deutsche Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zum DSA vom 8. Oktober 2020, dass Vorgaben zur staatsfernen Ausgestaltung der Aufsicht in sektorspezifischen Regelungen nicht durch horizontale Regelungen ausgehebelt werden dürfen.

Lösung:

Wie unter 2.1: Stärkung der bestehenden europäischen Zusammenschlüsse der einzelnen sektoralen Aufsichtsbehörden (ERGA, BEREC, Data Protection Board, European Competition Network) und Beschickung des Digital Services Board durch Mitglieder der jeweiligen Netzwerke und Gruppen.